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Dr. Razi Hejazian
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Von der Industrie- und Handels-
kammer zu Berlin öffentlich bestellter
und vereidigter Sachverständiger
für Orientteppiche und Kelims

  Bergama Teppich - Anatolien (Türkei)
   

11: "Tuhli: Am Beginn der Teppichkunst"

Textauszug:

Seit Urzeiten schliefen die Menschen auf zusammengenähten Fellen, bis es ihnen gelang,
Wolle in Gewebe einzuknüpfen und einen größeren, gleichmäßigen Schlafteppich herzustellen
Dieser Ursprung ist bei den „Tuhlis“ aus der Region Nordwestpersien deutlich zu erkennen.
Für den täglichen Gebrauch wurde der „Tuhli“ auf dem Fußboden als Schlafgelegenheit und als
Schutz gegen die Kälte ausgebreitet. Er bildete auch eine ideale weiche Sitzunterlage. In dieser
Funktion wurde er von dem Einheimischen als „Patu“ bezeichnet.

Einige Teppichforscher wie der bekannte Kurt Erdmann haben die Entstehung und den Ursprung des Teppichs mit der Hypothese erklärt, dass die Menschen anfänglich durch das Einbinden geschorener Schafswolle oder Ziegenhaar ein künstliches Tierfell geschaffen haben. Folgt man dieser Ansicht, hat
der Teppich ursprünglich das Tierfell ersetzt.

Die „Tuhlis“ stehen in dieser Tradition und sollten in diesem Zusammenhang untersucht werden. Sie
haben als Teppich-Gattung in einer abgelegen Gegend Persiens etliche Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende fast unverändert überlebt. Man kann sagen, dass die Tuhli-Tradition von der historischen Teppichentwicklung fast unberührt geblieben ist. Es ist durchaus vorstellbar, dass wir Teppiche vor uns haben, die zwar selten über hundert Jahre alt sind, sich aber kaum von ihren Vorläufern aus der prähistorischen Zeit unterscheiden. Daraus ergibt sich der große ethnologische Wert dieser Stücke.
Nur wenig andere Objekte gewähren dem Forscher und Betrachter einen so direkten Zugang in die Vergangenheit.

Die „Tuhlis“ wurden ausschließlich für den Eigenbedarf der Nomaden hergestellt und verwendet. Damit waren sie keinerlei Zwängen und Vorgaben des städtischen Absatzmarktes unterworfen. Auch die Abgelegenheit der Orte in Nordwestpersien hat sicher eine entscheidende Rolle dabei gespielt, dass sich die archaische und uralte Form dieser Teppichherstellung durch die Jahrhunderte hindurch erhalten hat.

Es scheint so, dass es erst in der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts zu einem endgültigen Abbruch
der Tuhli-Herstellung gekommen ist. Das Verschwinden des Nomadentums, die Erschließung immer
weiterer Gebiete für die kommerzielle Teppichproduktion und nicht zuletzt die Flucht in die Städte mit
ihren vermeintlichen Segnungen haben dazu beigetragen, dass die reiche Kultur und Tradition der
„Tuhlis“ unwiederbringlich ausgelöscht ist.

Der „Tuhli“ hat charakteristische Merkmale in Struktur, Material und Musterung, die ihn deutlich von allen anderen Arten von Nomadenteppichen unterscheidet. Eines davon ist seine Webstruktur. Bis zu vierzig Schussreihen sind zwischen zwei langflorige Knotenreihen eingefügt, diese ergeben dann ein bis zu 10 Zentimeter breites Kelim-Gewebe. Die „Tuhlis“ sind damit eine Kombination aus Flachgewebe und Knüpfteppich, d.h. es wechseln Kelimstreifen mit Knotenreihen rhythmisch ab. Der Flor ist so lang, dass
er die Flachgewebestreifen überdeckt.

Hergestellt hat man sie aus hochwertigen geschmeidigen Materialien. Die rohe Wolle – oft
Ziegenhaar – wurde so verwendet, wie man sie von Ziege oder Schaf geschoren hat. Der Florfaden ist
weder gesponnen noch gezwirnt. Es gibt ausschließlich einfache und geometrische Kompositionen.
Wir finden quadratische oder rautenförmige Gitter, konzentrische Felder, Streifen und Rauten.
Diese Formen können auch nach Fellzeichnungen aus der Tierwelt zustande gekommen sein. Zebras,
Bären, Löwen und Wölfe haben von jeher die Phantasie der in der Natur lebenden Völker beflügelt.
Die Naturverbundenheit der Nomaden, die weit ausgeprägter als beim Städter und Bauern war, kann
man in ihren „Tuhlis“ deutlich spüren.

Die „Tuhlis“ öffnen uns ein Fenster zu der elementaren Formensprache der Naturvölker, zu den Anfängen
der Teppichkunst, zur Vorstellungswelt der Nomaden. Durch die Einfachheit und Schlichtheit wirken diese Teppiche
ungekünstelt.

Motive, Muster und Kompositionen, die in den „Tuhlis“ Verwendung fanden, können auch symbolische und mystische Bedeutungen gehabt haben. Hieraus und aus der zugrunde liegenden Ur-Symbolik wird manches
Stammesmuster entstanden sein. Diese Fragen bleiben offen und bedürfen fundierter Forschungs-
arbeiten.

Die genuine Gestaltung, die stark leuchtenden Farben, der Glanz und Lüster der Wolle, die
wunderbare Materialität, und das daraus resultierende plastische (skulpturale, Reliefbildende,
objekthafte, Gestalthafte) Aussehen machen diese Teppiche zu einem sinnlichen Erlebnis.

Die Eigenschaften der „Tuhlis“ lassen uns den Ursprung der mannigfaltigen Web- und Teppichkunst
erblicken, aus dem der höfische Seidenteppich gleichermaßen wurzelt, wie der Stammesteppich der
Bergnomaden.

Es wird nicht lange dauern, bis sich die „Tuhlis“ ihren rechtmäßigen Platz unter den
bedeutenden orientalischen Textilien gesichert zu haben.

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