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12. Filzteppiche:
12.1. Funktion:
Filzen ist das älteste textile Handwerk.
Viele Völker filzten nicht nur ihre Kleidung und ihr Schuhwerk,
sondern auch Gebrauchsgegenstände und ihre Behausungen. Die turkmenische
Jurte ist dafür wohl
das bekannteste Beispiel. Eine Jurte, die Behausung der nomadisierenden
Turkmenen und Mongolen,
besteht aus einem Holzgerüst, dem außen Filzdecken aufgelegt
werden. Eine Jurte hat meist einen
Durchmesser von fünf Metern. Der untere Teil wird reihum innen anschließend
mit einer entsprechend
langen Webarbeit in Sumagtechnik geschmückt, die die Turkmenen Yolami
nennen.
An den abgerundeten, konisch konstruierten Jurten konnten Wirbelstürme
nichts zerstören und auch
nicht ins Innere dringen. Neben den funktionalen Wert, den die Filzarbeiten
für Behausung, Kleidung
und für tägliche Utensilien besaß, erfüllten sie
dekorative Zwecke. Ihnen floss, als Flächen, die für Zierrat
zur Verfügung standen, die ganze Kreativität der Herstellerin
zu.
Hieraus erwuchs wiederum eine soziale Funktion. Mit üppiger Ausstattung
der Zelte, besonders auf-
wendigem Festtagschmuck wurde der eigene Status und die Kunstfertigkeit
der Familie nach außen demonstriert. Auch die Stammeszugehörigkeit
wurde anhand von Textilien erkannt.
Neben dem praktischen Wert wurde dem Filz auch kultisch-magische Bedeutung
beigemessen.
Die Nomadin verfügte über die Kraft, dem von ihr erzeugten Muster
im Filz die gewünschte Wirkung zuzuordnen. Sie waren sich ihrer Fähigkeit
bewusst, dem Filz mittels Beachtung ritueller Vorschriften,
guter Wolle und gelungener Motivwahl ein Höchstmaß an kultischen
Gehalt mitzuteilen, so dass
dieser über ein Optimum an schützender Ausstrahlung verfügte.
Die einzelnen Motive halfen die Dämonen und den "Bösen
Blick" abzuwenden, und boten den Nomaden
Schutz vor potentiellen Schäden und Gefahren. Schamanen schnitten
aus Filz kleine Kultfiguren, die als Talismane bei Tieren und Menschen
den Bösen Blick abwenden oder Krankheiten abwehren helfen sollten
und bei Gefahr eine Schutzfunktion übernahmen, indem sie das Unheil
auf sich zogen.
Wenn der gefürchtete Karaburan (der schwarze Wirbelsturm) aus
weiter Ferne daherrast, schneidet
ein Schamane aus Filz kleine Pferdefiguren, die er dem großen, geflügelten
Windpferd entgegenwirft,
um es zu bekämpfen.
Literaturhinweis:
- S. M. Demidov: Relikte vorislamischer Glauben unter den Turkmenen, in:
Turkmenenforschung,
- Band 8, Reinhold
Schletzer Verlag, Hamburg
- Schmid, Robert C. und Bendel, Oswald: Die Letzten Nomaden, 1997 Verlag
Styria.
12.2. Geschichte:
Die Filzteppiche dürften mit zu den ältesten
Teppichen schlechthin zählen. In der Entwicklungs-
geschichte des Nomadenteppichs wird in der Reihenfolge der Filz, dann
der Kelim und schließlich
der Knüpfteppich festgehalten.
Schon vor langer Zeit erkannten die Menschen, dass Wolle besonders gut
geeignet ist, um eine
schützende und wärmende Hülle herzustellen. Diese belegen
Funde aus Mittelasien, Anatolien,
Ägypten und China, wo man Wollfilze entdeckte, die ca. 7000 Jahre
alt sind. Schon seit der mittleren
Steinzeit, also ca. 5000-4000 Jahre v. Chr., wurden Schafe als Haustiere
gehalten. Gleichzeitig begann
auch die Geschichte der Filzherstellung.
Zwei wichtige Funde für die frühe Filzherstellung sind:
- Ein Wandbehang aus Filz in Hügel 5 von Pazyryk im Altaigebirge:
4. bis 5. Jhd. v. Chr.
- Die Turfan-Fragmente aus Ost-Turkestan: 2. bis 3. Jhd. n. Chr.
Literaturhinweis:
- Bennett, Ian: Teppiche der Welt, Mosaik Verlag GmbH, München 1989.
- Spuhler, Friedrich: Die Orientteppiche im Museum
für Islamische Kunst Berlin,
- Staatl.
Museen Kulturbesitz, Berlin 1987.
12.3. Herstellungstechnik:
Vor oder im Inneren der Jurte wurde auf ein
ausgebreitetes Schilf-Geflecht oder großes Lederstück eingefärbte
Wolle in Flocken oder Strähnen zu Mustern angeordnet und vorsichtig
mit einer ungefärbten Schicht Naturwolle bedeckt. Als dritte Schicht
wurden wieder eingefärbte Wolle in Flocken oder Strähnen
zu Mustern angeordnet. Erste und dritte Schicht weisen dadurch verschiedene
Muster auf.
Die Wollschichten wurden jedes mal mit kochendem Wasser und etwas Milch
besprengt. Dadurch schob sich das Haar der Wolle ineinander, quoll auf
und verfilzte.
Es entstand beim Begießen eine immer dichter werdende Verflechtung,
ein verknotetes, sich durch Hitze aufspaltendes Haar.
Zwischendurch wurde die Walze immer wieder aufgewickelt, mit kochendem
Wasser übergossen
und durch Druck mit den Unterarmen gewalkt, bis sich die erwünschte
Festigkeit und Dichte erreicht ist.
Dann wickelte man die Matte mit ihrem Schilfgeflecht fest um einen Holzstamm,
der als Achse diente,
zu einer Walze zusammen.
Man band sie verschnürt hinter ein Pferd, dessen Reiter sie im Galopp
über die Steppe rollte und zog. Hierdurch presste sich die Wolle
immer enger ineinander.
Literaturhinweis:
- Zipper, Kurt: Lexikon des Orientteppichs, Klinkhardt & Biermann,
München 1981.
- Bidder, Hans und Imgard: Filzteppiche, Klinkhardt Biermann, Braunschweig
1980.
12.4. Farben:
Granatapfelschale (Punica granatum):
Die getrockneten Fruchtschalen enthalten ein Pigment, das alaungebeizte
Wolle lebhaft gelb färbt.
Auf Eisenbeize ergibt die gerbstoffhaltige Granatapfelschale schwarze
Farbtöne.
Isparak (Crozophora tictoria):
Ein gelber Farbstoff von sehr guten Eigenschaften
ist im Isparak (Isperek), einer Wolfsmilchart,
enthalten, die Steppengebiete und Gegenden mit kontinentalem Klima bevorzugt
und spärlich in Tropen auftritt. Die ganze Pflanze mit möglichst
üppig entwickelten Blättern wird vor der Blüte gesammelt
und getrocknet und ergibt gelblichgrüne Töne.
Indigo (Idigofera tinctoria):
Die Ursprünge dieser Färberei vermutet
man in Indien im dritten Jahrtausend vor Christus.
Darauf deutet auch der vom griechischen indikon für indisch
abgeleitete Name. Und wie sein Name
im Sanskrit Nili heißt, so bezeichnet man ihn in Iran mit Nil. Ägyptische
Kleidung aus der Zeit um 2500
vor Christus und Mumienbinden zeigen, dass Indigo dort ebenso bekannt
war wie Jahrhunderte später
im Rom der Zeitenwende.
Der zu den Schmetterlingsblüten gehörende Strauch enthält
die farblose Vorstufe Indican. Das zer-
schnittene Kraut gab man einige Tage mit Wasser in großen Küpen.
Durch ein in den Blättern
enthaltenes Enzym begann eine Gärung, die das Indican chemisch umwandelte.
Es entstand die
gelbliche Gärungsküpe und daraus mit dem Sauerstoff der Luft
Indigo. Ein in diese Küpe getauchter
Stoff wurde also an der Luft blau.
Krappwurzel(Rubia tinctorum):
Der zur Rotfärbung notwendige Farbstoff (Alizarin) ist im Wurzelstock
des Krapps, auch Färberröte
genannt, erhalten. Es handelt sich um eine Krautpflanze, die mit ihren
lanzettförmigen Blättern eine
Höhe von 1 Meter erreicht. Je nach dm Alter der Wurzel, der Erntezeit,
der Verwendung von Zusatzstoffen,
das Wasser und der Wassertemperatur, der Färbedauer, der Wahl des
Beizmittels und der Farbstoffkonzentration kann es eine große Palette
von Farbtönen ergeben. Wir finden alle Nuancen
vom gelblichen Ziegelrot kleinasiatischer Teppiche bis zum bläulichen
Weinrot der Tekke-Turkmen-
teppiche.
Um den Farbstoff auf der Faser zu fixieren, bediente man sich der Beizenfärberei.
Nicht gebeizte Wolle
nimmt nach der Färbung mit Krapp eine Ziegelrote Farbe an. Diese
vertieft sich, wenn Alaun (Kaliumaluminiumsulfat) als Beizmittel verwendet
wird. Fügt man der Farbstofflösung ein eisen- oder bleihaltiges
Beizmittel hinzu, so verändert sich die Farbe zum Purpur oder Violett
hin.
Walnuss (Juglans regia):
Aus der Blätter, trocken oder frisch, gewinnt
man zusammen mit Alaun ein mehr oder minder intensives Beige. Der Rinde
und die Fruchtschalen ergeben Dunkelbraun. Der aktive Farbstoff ist das
Juglandin (Juglon), das sich auch ohne Beizmittel direkt mit der Wollfaser
verbindet.
Safran (Crocus sativus):
Man gewann den gelben Farbstoff Crocin aus den Blütennarben der Safran-Pflanze.
Da Safran zu den direktfärbenden Farbstoffen gehört, ist kein
Vorbeizen erforderlich.
Aus 150.000 bis 200.000 Blüten lassen sich fünf Kilogramm Narben
und daraus ein Kilogramm Safran gewinnen. Deswegen ist dieser Farbstoff
sehr teuer gewesen und wurde nur selten zum Färben von Teppichwolle
verwendet.
Das Färben der Wolle:
Die Kunst des Färbens stand bei den Nomaden in hohem Ansehen. Besonders
die Fixierungsvorgänge wurden als
geheime Rezepte streng gehütet und von Generation zu Generation nur
mündlich überliefert.
Ein gelungener Färbevorgang war abhängig von vielen Faktoren,
wie:
- Herkunft, Zustand und Reife des Farbstoffes
- Farbstoffkonzentration
- Färbedauer
- Beschaffenheit von Wasser (Kalkgehalt, Mineralgehalt)
- Luft und Sonne
- Beschaffenheit von Wolle (ungleichmäßige Dicke des handgesponnenen
Faden, Fettgehalt)
- Dosierung der Wolle
- Zusatzstoffe und Beizmittel:
- Färbemischung
usw.
Von wesentlicher Bedeutung für das Färben ist das Wasser, das
zum Waschen und Kochen der Wolle
und dann zum Mischen der Farben benutzt wird. Je nach seinen lösenden
Bestandteilen übt es einen
nicht immer kontrollierbaren Einfluss auf die Farbe aus.
Die Gebirgsbäche, welche Bergen vulkanischen Ursprunges entspringen
oder längere Zeit über vulkanischen Boden fließen, führen
das beste Wasser zum Einfärben. Kalkgehalt des Wassers erzeugt kräftige
Töne. Um die Eigenschaft des Wassers hierzu auszunutzen, legten die
Färber z.B. das krapprot gefärbte Garn mit Steinen beschwert
in die Bäche. Versuche, die man in Europa mit importierten
Farbstoffen gemacht hat, haben gezeigt, dass sich das europäische
Wasser nicht eignete.
(Uhlmann, 1930, S. 40)
Auch die und die Sonne spielen beim Einfärben mit Naturfarben eine
wichtige Rolle. Das gefärbte Garn kommt in engste Berührung
mit der orientalischen Natur, indem es zum Trockenen im Freien aufgehängt
wird. Luft und Sonne geben ihm vor der Verarbeitung den letzten Glanz.
Von Wichtigkeit ist die Dauer der Aussetzung und vor allem die in Europa
unbekannten Intensität der Sonnenstrahlung, so dass Martin
in den letzten Worten seines unvergleichlichen Werkes die südliche
Sonne den besten Farbkünstler nennt. (Martin, 1908)
Alaun (Kaliumaluminiumsulfat) (Persisch: zadje sefid):
Für die durch das Wollfett gehemmte Farbaufnahme und für die
Haltbarkeit der Farben sind Beizmittel
nötig. Beizmittel lockert die Fasern auf und bereite für die
Farbaufnahme vor.
Neben den verschiedensten alkalischen Zusätzen ( Kamel-Urin und Gallen)
und Säuren kennt der Orient noch eine Unmenge vegetabilischer, animalischer,
mineralischer und anderer Mitteln, oft nur von engster lokaler Bedeutung,
den Farbton zu verändern, ihn licht- und waschbeständiger, reibechter
zu machen.
Die meisten Naturfarbstoffe sind Beizenfarbstoffe. Sie haften nur wenig
von selbst auf der Faser und benötigen als Bindeglied zwischen Farbstoff
und Wollfasereine Beize.
Allerdings ist ein gelungener Färbevorgang von vielen Faktoren abhängig.
Einige diese Beizstoffe/Beizmittel (Persisch: dandaneh) sind:
- Alaun
- Eisensulfat, Eisenoxyd
- Chromsäure
- Chromoxid
- Zinnoxid
- Tonerde
- Phosphate
- Bleiazetat
- Holzasche
- Traubensaft
- Essig (Essigsäure)
- Weinstein
- Natriumdithionit
Literaturhinweis:
- Hejazian, Razi: Nomaden im Iran, Dokumentation nomadischer Kelims und
Teppiche, Berlin 1999.
- Adrian, Karin: Teppiche, von den Anfängen der Teppichkunst bis
heute, Wilhelm Heyne Verlag, 1993
- München.
- Schürmann, Ulrich: Zentral-Asiatische Teppiche, verlag August Osterrieth,
Frankfurt am Main, 1969.
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